So individuell jeder Patient ist, so unterschiedlich sind auch die Bandscheibenvorfälle zu bewerten. Bandscheibenmaterial, das sich gelöst hat und in den Spinalkanal gerutscht ist lässt sich besser operativ behandeln als gedeckte Bandscheibenvorfälle, da hier der noch intakte Außenring eröffnet werden muss. Das bedeutet, dass bei gleichen Beschwerden von Patienten unterschiedliche Beratungen und Empfehlungen entstehen können. In den seltensten Fällen ist die Empfehlung zu einer operativen Behandlung eindeutig.
Vor der Entlassung aus dem Krankenhaus erfolgt eine klinische Untersuchung, um Veränderungen zu den Befunden vor der Operation zu dokumentieren. Eine Röntgenkontrolle ist in aller Regel nicht notwendig. Bei einem normalen Schmerzsyndrom mit Gefühlsstörungen ziehen im Allgemeinen keine Anschlussheilbehandlung bzw. Reha-Maßnahmen nach sich, falls doch, wird der Antrag schon im Krankenhaus gestellt und von unserem Reha-Team bearbeitet.
Die Bandscheibe besteht aus einem äußeren Faserring (Anulus fibrosus) und einem Gallertkern (Nucleus firbosus) in der Mitte. Beides zusammen bewirkt die Pufferfunktion, die die Bandscheibe als Verbindung zwischen zwei Wirbelkörpern ausmacht.
Auch die Bandscheiben der Wirbelsäule unterliegen wie alle Gewebe natürlichen Veränderungsprozessen. Mit der Zeit verlieren Bandscheiben ihre Elastizität durch Flüssigkeitsverlust und die Gewebe werden spröde und rissig. Im Rahmen dieser Veränderungen kann sich nun entweder der äußere Faserring breitbasig vorwölben oder es kommt zu Rissbildung im Faserring, wodurch Gewebe austreten kann. Beides beschreibt die Entstehung eines Bandscheibenvorfalls. Ein Bandscheibenvorfall ist also eine besondere Art des Bandscheibenverschleißes.
Bei den meisten Bandscheibenvorfällen handelt es sich um Zufallsbefunde im Rahmen einer Schnittbilddiagnostik wie Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT). Das bedeutet: Die allermeisten Bandscheibenvorfälle, die im MRT beschrieben werden, haben für das aktuelle Beschwerdebild keinen oder nur indirekten Einfluss. Wichtig ist also die Kombination aus einer guten Bildgebung, vorzugsweise eine MRT-Untersuchung und der klinischen Untersuchung, um eine fundierte Beratung durchführen zu können.
Am Beginn eines Bandscheibenleidens kann es einen Zeitraum mit wechselnden und bisher für den Patienten unbekannten Rückenschmerzen geben. Die Ursache dafür ist der zugrundeliegende Verschleiß der Bandscheibe und eine Dehnung der umgebenden Bandstrukturen, durch das hervor drückende Bandscheibengewebe. Erst wenn es zu alles dominierenden Schmerzen in den Beinen kommt, spricht man von einem symptomatischen Bandscheibenvorfall. Die Beinschmerzen entstehen in der Regel plötzlich und häufig kann sich eine betroffene Person noch an den genauen Moment erinnern, als die Schmerzen begonnen haben.
Bei großem Druck auf den betroffenen Nerven kommt es begleitend zu neurologischen Störungen, die mit Gefühlsstörungen (Parästhesien /Ameisenlaufen, Taubheit) bis hin zu Lähmungserscheinungen einher gehen können. Sehr große Vorfälle (Massenvorfall) beeinträchtigen sogar die Blasen-Darmfunktion und führen zu sexuellen Funktionsstörungen wie Erektionsstörungen oder Taubheit im Schambereich. Sie sind jedoch zum Glück extrem selten.
Eine Empfehlung zu einer operativen Behandlung eines Bandscheibenvorfalls ist nur selten eindeutig. Wenn keine hochgradigen Lähmungen vorliegen, sollte zunächst für 6-8 Wochen konservativ behandelt werden. Gezielte, radiologisch gesteuerte Infiltrationen an den betroffenen Nerven (PRT´s) spielen dabei eine wichtige Rolle. Erst wenn diese Behandlung versagt oder neurologische Störungen vorliegen bzw. zunehmen, sollte über eine Operation gesprochen werden. Dabei ist der individuelle Leidensdruck entscheidender als die Größe des Bandscheibenvorfalls. Bei einem kleinen Bandscheibenvorfall der zu unerträglichen Schmerzen oder einer Schwäche im Bein führt, entscheidet sich der oder die Betroffene eher zur operativen Behandlung, als bei einem großen Befund mit wenig Beschwerden. Individuelle Beratung ist hier also das A und O.
Der Eingriff erfolgt in Bauchlage und in Vollnarkose. Nach dem Hautschnitt wird die Muskelhülle eröffnet und mit Hülsen oder einem Spreizer geweitet. Dieser schmale Operationstunnel reicht aus, um mit der Vergrößerung des Mikroskops sicher den Zugang zum Nervenkanal zu eröffnen.
Nun muss je nach Lage des Bandscheibenvorfalls die ideale Operationsstrategie gewählt werden. Ein geübter Operateur wählt dafür unterschiedliche Zugänge, um so schonend wie möglich den Bandscheibenvorfall zu bergen. Einen nach oben geschlagenen Bandscheibenvorfall kann man also entweder elegant über ein kleines Bohrloch entfernen, oder einen großen Knochendefekt setzen, der die Wirbelsäule schwächt und Rückenschmerzen fördert.
Wenn der Vorfall über den individuellen Zugang freigelegt wurde, kann er mit kleinen Häkchen und Fasszangen entnommen werden. Durch Entfernung des Bandscheibengewebes aus dem Spinalkanal werden die gedrückten Nerven entlastet. Freies Gewebe aus der Bandscheibe selbst wird nur entnommen, wenn ein großer Defekt im äußeren Faserring vorliegt.
Die Spreizhülsen werden entfernt und die eröffneten Gewebeschichten können sich wieder aneinanderlegen. Die Muskelhülle wird wie die Unterhaut und Haut mit sich auflösenden Nähten verschlossen. Ein „Fäden ziehen“ ist daher nicht mehr notwendig. In der Regel braucht man bei diesen kleinen Zugängen auch keinen Wundschlauch (Drainage) mehr, der nach der Operation lästig und bei Entfernung schmerzhaft sein kann.
Nicht nur unsere beiden Chefärzte halten das Master-Zertifikat der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft, auch unsere Wirbelsäulenchirurgie an sich ist durch die DWG als besonders hochqualitativ ausgezeichnet. Für dieses Qualitätssiegel ist vor allem eine hohe Fallzahl an spezialisierten Eingriffen nötig, die in Kempen seit Jahren vorhanden sind und lückenlos erfasst werden. Dieser langjährige Erfahrungsschatz, hohe Ansprüche an das Qualitätsmanagement und ein interdisziplinärer Austausch unserer Experten sorgen für eine überdurchschnittliche Behandlungsqualität im Hospital zum Heiligen Geist.